Am neunten
Juli im Jahr 2011 harrte ein besonderes Ereignis der
Bewohner der Domäne Dresden. Anläßlich des
101. Geburtstages von Konrad Zuse,
einem Pionier der Informationstechnik und gleichzeitig begabtem
Künstler, lud
Johann Siegfried von Schleier zu einer Kunstausstellung ein. Dazu hatte
er von
malkavianischen Künstlern geschaffene Werke zusammengetragen,
teils von Zuse
und seinen Arbeiten inspiriert, teils davon unabhängig. Zu
diesem
außergewöhnlichem Ereignis zog es auch
Gäste von nah und fern. So zählten die
Berliner Kainskinder Batseba Kurtimon, besser bekannt als Kurt, und
Martha
Lorenz zu alten Bekannten des Gastgebers, während Harry Oswald
von Hjorka Tjälvasford
eingeladen wurde, ebenso der berüchtigte Filmkritiker Alf
Mainert. Prinz von
der Wettern erschien mit einem Gast aus Frankreich, Antoine Baptiste de
Tessier. Wilhelmine Waldbach, Dresdner Rosenblut, durfte
natürlich auch nicht
fehlen. Auch Christian Alexander Cless, passionierter Galerist und
Freund der
Künste, gab sich mit Isabella Maria von Charlottenberg-Nassau
die Ehre. Eher
unerwartet auf diesem Abend war die Anwesenheit von Sophie, dem
Neuzugang der
Dresdner Gangrel, die in einem Kimono der Veranstaltung beiwohnte und
als
einziges Mitglied der Domäne Dresden ein eigenes Werk der
Ausstellung stiftete,
ein Aquarellgemälde einer winterlichen Landschaft. Imogen
Harrower hatte den zu
Studienzwecken in Dresden weilenden und aus Freiberg stammenden
Clansbruder
Alexander Rahstädt mitgebracht.
Ebenfalls zugegen war Theodor von Hansen, der Erzeuger des
Gastgebers.
Zunächst
sammelten sich die Ankommenden unter
experimentell-lyrischen Klängen vor dem Ausstellungsraum und
wurden, als alle
Angekündigten anwesend waren, vom Gastgeber hineingeleitet.
Nach einem kurzen,
ersten Blick über die ausgestellten Werke, hieß Herr
von Schleier seine Gäste
willkommen, gab einen Überblick über Leben und Werk
von Konrad Zuse, und erläuterte
die Besonderheiten des Abends. So gab es eine Bar mit erlesener
Auswahl, auf
Wunsch auch mit diversen Drogen versetztes Blut, zudem eine in mehrere
Quadrate
unterteilte Leinwand, auf der ein gemeinsames Bild entstehen sollte.
Nach den
einleitenden Worten ergab sich ein jeder der ausführlichen
Betrachtung der
Werke, die in ihrer Vielfältigkeit als auch Vieldeutigkeit
ausreichend Raum zu
Interpretationen ließen. Zudem gab es zu jedem Werk eine
besondere Frage, über
die sich manche den Kopf zerbrachen. Nicht jedes ausgestellte Werk fand
auch
den Gefallen der Gäste, so sorgte der experimentelle Film
für gerunzelte
Stirnen und angewiderte Blicke. Es kam eine sehr gelöste
Stimmung auf, als in
abstrakten Werken diverse Bilder und Gestalten gesucht wurden oder als
Hjorka
Herrn Cless zu einem Interpretationsversuch verleitete und man sich
dann über
den Zusammenhang von Form, Inhalt und Gestalt unterhielt.
Kurzzeitig
wurde dies unterbrochen, als Prinz von der Wettern ein
Bild von Carl-Otto Ruhge entdeckte, dem vormaligen malkavianischen
Prinzen von
Dresden, der durch die Maskeradebrüche seiner Zyklen Blutbilder
und Nachtbilder
während einer Konklave zum endgültigen Tode
verurteilt wurde. Obgleich das hier
ausgestellte Bild harmlos war und kein Sterblicher anwesend,
ließ er es
entfernen. Kurze Zeit darauf erschien es jedoch von selbst wieder!
Sofort entspannen
sich Diskussionen über die Art und Weise, als Harry Oswald an
seinem Ohr ein hämisches
Lachen vernahm – allerdings nur er alleine. Die Vermutungen
gingen von
Geistern, mit denen man hier ja bereits leidvolle Erfahrungen gesammelt
hatte,
bis zu einem kunsthassenden Nosferatu, der seinen Schabernack trieb.
Allerdings
sollte Herr Oswald nicht der einzige bleiben, der die geisterhafte
Stimme
vernahm, denn mehrere der Anwesenden wurden im Laufe des Abends von ihr
belästigt. Mal lachte sie nur, mal beleidigte sie die
Anwesenden, nie war sie
jedoch greifbar. Da es jedoch bei Spott blieb, versuchte man sie nach
bestem
Vermögen zu ignorieren.
Nicht
ignorieren hingegen konnte man die bei den Domänenmitgliedern
auftauchenden teils subtilen, teils deutlichen
Verhaltensänderungen. Während
man Sophie gar nicht für eine Gangrel halten mochte, versuchte
Herr von
Schleier die Anwesenden zum Beantworten der Fragen zu drängen
und auch Frau
Harrower zeigte sich sehr lebhaft und begann, Geschichten und
Zusammenhänge
zwischen Bildern zu erläutern. Sollte die kreative
Atmosphäre des Abends etwa
abgefärbt haben? Daß Frau Waldbach gedankenverloren
um die Stifte und leeren
Blätter, die im Rahmen der eigenen Gestaltung für die
Gäste bereitgestellt
wurden, mochte nicht weiter verwundern, daß hingegen die
Gräfin deutlich an
einem Problem nagte, das sie am liebsten verdrängt
hätte, schon eher. Auch Herr
Cless schien mit sich zu ringen, als er eine Phiole mit einer
eigenartigen
Flüssigkeit fand.
Schließlich
wurde man auf eine Kiste aufmerksam, die weder zum
Inventar gehörte noch durch Herr von Schleier platziert wurde
und auf deren
Schlossriegel ein rundes Bild zu sehen war. Herr Cless nahm all seinen
Mut
zusammen und trank die Phiole leer, mit einer gewissen Vermutung, was
ihn
erwarten würde. Dies bewahrheitete sich, sah er doch fortan
Dinge, Farben und
Muster, die eindeutig nicht vorhanden waren – jedoch
manifestierte sich in
seiner Hand eine Karte. Es war Der Mond, eine Karte
aus dem Tarot.
Sogleich machte er sich an der Leinwand zu schaffen, um das, was er
gesehen
hatte, festzuhalten, er schien von fast schon wahnhafter
Kreativität erfaßt
worden zu sein. Nachdem er sich etwas beruhigen konnte berichtete er,
daß er
mit einem eigenartigen Erdgeruch in der Nase aufwachte und im Traum
während des
Tagschlafes die Herausforderung verspürte, die Phiole zu
finden und zu trinken.
Auch die anderen konnten den Erdgeruch bestätigen, bei Sophie
war man sich
nicht sicher, da sie in der Heide übertagt hatte.
Über den Traum und die
Aufgabe vermochte jedoch niemand zu sprechen, so daß man wohl
abwarten mußte,
welche Aufgaben erfüllt wurden und welche Karten dann
auftauchen würden.
Zweifelsohne standen sie mit der ominösen Truhe in Verbindung,
denn der
Zeichenstil der Karte von Herrn Cless und der auf der Truhe abgebildete
Ausschnitt
waren im selben Stil gefertigt. Kurz darauf erhielt Imogen Harrower
eine Karte,
Die Hohepriesterin, nachdem sie eine
zusammenhängende Geschichte aus
drei Kunstwerken erzählt hatte. Ihre Karte war es auch, die
den Schlüssel für
die Truhe darstellte, wie man nach einigem Rätselraten
erkannte. Doch als man
die Truhe öffnete, fand sich eine zweite Truhe –
verschlossen mit einem
weiteren Bildnis.
In der
Zwischenzeit amüsierten sich die übrigen Anwesenden
mit
ihren Interpretationen, dem beliebten Wer-sieht-was-in-diesem-Bild und
der
bereitgestellten Leinwand, die sich allmählich
füllte. Alf Mainert versuchte
sogar, aus dem Film schlau zu werden, um eine entsprechende Kritik
abgeben zu
können, allerdings mußte er vor der malkavianischen
Erzählstruktur und den
wirren und teils verfremdeten Bildern kapitulieren. Auch trieb die
gehässig
flüsternde Stimme weiter ihr Unwesen und sorgte mit ihren
Äußerungen für
konsternierte Blicke.
Der Prinz zog sich mit dem Primogen der Ventrue für ein
wichtiges
Gespräch zurück.
Der Narr war die
Belohnung für die gelöste Aufgabe von Frau Waldbach
und man konnte die nächste Truhe mit der ihr erschienenen
Tarotkarte öffnen –
und fand eine weitere verschlossene Truhe. Herr Rahstädt
äußerte bereits ein
vermutetes Gleichnis mit den Matroschkapuppen und meinte, daß
es dann wohl
sieben Truhen sein müßten. Aber wer hatte nun welche
Aufgabe? Gab es vielleicht
Hinweise auf weitere? Und von wem kamen diese Truhen? All das fragte
man sich.
Inzwischen war die Gräfin von Charlottenberg-Nassau mit
Monsieur de
Tessier vor die Tür gegangen, um ihrem Ärger
bezüglich seiner Äußerungen über
ein Ereignis mit italienischen Giovanni Luft zu machen. Schier
außer sich war
sie, versuchte, ihren Zorn im Zaum zu halten und griff irgendwann an.
Ein
ungewöhnliches Bild bot sich dem zufälligen
Beobachter, wie die sonst so um
ihre Contenance bemühte Gräfin sich keifend wie eine
Furie auf den Franzosen
stürzte, ihm Schlag um Schlag versetzte und von ihm immer
wieder ein Stück
zurückgefaucht wurde. Irgendwann entschwand Monsieur de
Tessier und Isabella
von Charlottenberg –Nassau brach erschöpft und
sichtlich mit ihrer Fassung
ringend zusammen. Auch sie erhielt eine Karte, Die
Stärke. Jedoch
versuchte sie völlig aufgelöst und sichtlich
beschämt über ihre Tat, den
Franzosen zu finden, der jedoch unauffindbar schien. Theodor von Hansen
gelang es,
sie soweit zu beruhigen, daß sie zumindest wieder ins Haus
zurückkehren konnte
und nicht in panischer Suche in die Nacht lief.
Dort konnte
die entsprechende Truhe geöffnet werden und auf der
nächsten Truhe fand sich das Bildnis des Mondes, und Herr
Cless öffnete diese,
um eine weitere Truhe zu finden, inklusive einer Nachricht für
den Mond. Bis
jetzt war allerdings keine weitere Karte aufgetaucht, und so
hieß es zunächst
einmal warten. Im Ausstellungsraum war der Gastgeber zusammen mit
Sophie, der
Berliner Zeichnerin Martha Lorenz und Harry Oswald eifrig dabei, die
Fragen
eines jeden Kunstwerkes zu erörtern, während sich die
übrigen Gäste weiter der
Leinwand, dem Trinkgenuß und den Kunstwerken erfreuten.
Insbesondere tat sich
hier der Freiberger Tremere Herr Rahstädt hervor, der mit
einem äußerst
kunstfertigen Bild überraschte.
Der
Hierophant erschien,
als Herr von Schleier auch die letzte Frage zu den
einzelnen Werken im Dialog disputiert hatte und öffnete eine
weitere Truhe.
Hoffte man, inzwischen am Ende angelangt zu sein, sah man sich ein
klein wenig
enttäuscht ob eines weiteren geschlossenen
Gefäßes und einer Nachricht für den
Hierophant.
Als
geplanten Abschluß der Festivität hielt der
Gastgeber noch
einen Vortrag über Kunst in der Mathematik, die
Zusammenstellung von Körpern
aus Vielecken, die korrekte Zeichenweise von Spiralen und den in der
Architektur angewandten Goldenen Schnitt. Damit verabschiedete er die
Gäste
offiziell und ließ den Abend ausklingen. Es fehlte jedoch
noch eine Karte: Der
Tod. Diesen erhielt Sophie und damit ließ sich
tatsächlich das letzte Gefäß
öffnen. Als sie das tat, flatterte eine Nachricht zu Boden,
Dankesworte der
Feen, die für den für sie sehr unterhaltsamen Abend dankten und im Gegenzug
verrieten, wo
sich die von der Domäne so dringen benötigte Fee
befände, die sie als
Gegenleistung für die Hilfe der rumänischen Hexe
Violeta Galinescu beschaffen
sollten, und die Zeit drängte mehr denn je. So klang der
ungewöhnliche Abend
mit letzten Pinselstrichen am gemeinsamen Bild, letzten
Gesprächen und Verabredungen
langsam aus.