Zum
82. Male soll sich in der
Nacht vom 12. zum 13. April die Thronbesteigung Franz Frederik von der
Wetterns
jähren – ein günstiger Anlaß, um
nun, einen Monat nach den aufsehenerregenden
Ereignissen bei den Vertragsverhandlungen mit der Domäne
Freiberg, die
Mitglieder der eigenen Domäne zu einer Feierlichkeit
zusammenzurufen.
Nahezu alle, die man erwartet
hatte, folgen der Einladung: Frau Segers empfängt ihre
Clansmitglieder Frau
Hummel, Herrn Chrustschnick und Herrn Weber; vom Clan des Tieres
treffen Frau
Sesemann, Herr von Thronstein und Vaiküre ein; der Setit Herr
Neumann ist
ebenfalls erschienen; der Malkavianer Herr Klemm ist vom leider
indisponierten
Herrn Müller zum Vertreter für diesen Abend erkoren
worden – auch Herr van
Amersfoort ist aus Budapest zurückgekehrt und kann erscheinen;
die Nosferatu
Frau Rodriguez und Rufus tauchen zu allseitiger Überraschung
tatsächlich in im
Übrigen sehr vorteilhafter Abendgarderobe auf; Herr
Tjälvasford läßt sich nach
längerer
Abwesenheit wieder einmal sehen; Herr Fuchs aus der Familie des Prinzen
fehlt
unentschuldigt, weshalb Herr Robrugk, zum Teil eingespannt in den
Empfang der
Gäste, besonders viel zu tun hat; Haus und Clan Tremere
rückt mit Frau Weber,
Herrn Schumann, Herrn Teiresias und Sabeth vollzählig an;
nicht zuletzt ist der
Clan des Zepters mit Herrn von Carlowitz, Herrn Cless, Herrn Cortez und
Frau
Carrera präsent.
Die durch Herrn Fuchs verursachte
Vakanz kann zum Teil durch einige illustre Gäste aus dem Kreis
des Rosenclans
kompensiert werden. Nicht wenige erkennen die russische Harpyie Sophia
Alexandrowna Tumanowa wieder, die Dresden bereits Ende November einen
Besuch
abgestattet hat. Der Gast zeigt sich zufrieden damit, daß der
Schreiber eines
gewissen impertinenten Briefes mittlerweile aus der Domäne
geflohen ist.
Frau Eliabetha Wohlheim erscheint
ebenfalls als spezieller Gast des Prinzen, ein besonders erfreuliches
Zusammentreffen, da Prinz von der Wettern und sie bis dato nur
brieflichen
Kontakt miteinander gehabt haben. Schließlich ist auch
Charles McConnerher, ein
sehr alter Freund des Prinzen, als von diesem freudig erwarteter
Gratulant
anwesend.
Auch die Domäne
Freiberg hat eine
kleine Delegation, bestehend aus Akari Takamura, Konsul der Plebejer,
Blutvogt
Karl Johann von Dohna, die Toreador Melith van Hagen und Albert Keates,
neues
Clansmitglied von Frau Takamura, gesandt.
In
der Schieferburg zu Dresden
versammeln sich die geladenen Gäste.
Prinz von der Wettern läßt es
sich nicht nehmen, sie alle persönlich zu empfangen und jedem
ein
Begrüßungsgetränk in Form eines 1982er
Caitiff anzubieten.
Erste Gesprächsfetzen
durchdringen die Räumlichkeiten, deren Wahl einhellig gelobt
wird. Gleichzeitig
genießt man das Blut des Caitiffs.
Die gewählte
Garderobe einiger
Domänenmitglieder bietet wie üblich
Gesprächsstoff. Frau Hummels Wahl etwa ist
wie stets mit Spannung erwartet worden.
Nachdem alle sich versammelt
haben und die ersten Förmlichkeiten geklärt wurden,
geleiten Frau Segers und
Herr Robrugk die Anwesenden zu den für sie vorgesehenen
Plätzen. Nachdem man
sich niedergelassen hat, erhebt sich Prinz von der Wettern von seinem
Thron, um
einige Worte zu diesem Anlaß zu sprechen. Noch einmal
heißt er
Domänenmitglieder und Gäste willkommen. 1926 ist ein
Jahr, das dem Prinzen noch
sehr gegenwärtig sein mag, das für viele der
jüngeren Kainiten jedoch eine ganz
andere Welt ist. Um auch diesen die vergangenen Tage zu
vergegenwärtigen, läßt
der Prinz, allem Mißtrauen der modernen Technik
gegenüber zum Trotz, von Hjorka
einen vorbereiteten Film zeigen, der das alte Dresden zeigt.
Im Anschluß daran gedenkt der
Prinz bereits den offiziellen Teil zu beenden, als sein Seneschall
aufsteht, um
eine Darbietung seines Clans anzukündigen, die man zu diesem
Anlaß vorbereitet
hat.
Nacheinander tragen Herr Cless,
Herr von Carlowitz, Herr Cortez und Frau Carrera Gedichte vor, die aus
verschiedenen Epochen stammen; ihre Verfasser sollen erraten werden.
Zudem
überreichen der Seneschall und der Primogen des Clans ihrem
Prinzen Gemälde.
Der Stadtvogt liest mit bewegendem Ernst aus dem argentinischen
Nationalepos
‚El Gaucho Martin Fierro’ und Frau Carrera
überreicht einen Gutschein für einen
Opernbesuch.
Auch der Clan des Mondes, wenn
auch nicht vollständig anwesend, hat sich dennoch etwas
einfallen lassen. Nach
einer Idee Herrn van Amersfoorts übergeben die Malkavianer
eine gerahmte
Photocollage mit Stadtimpressionen – aus der Sicht des
Clans...
Auch die anderen Clans stehen nun
auf. Alle haben sie sich Gedanken um Geschenke für Franz
Frederik von der
Wettern gemacht.
Herr Neumann, dessen Kontakte
weit reichen, läßt Gedichte des Prinzen in der
Zeitung drucken.
Die Nosferatu nutzten die
gegebenen Möglichkeiten besonders kreativ und fertigten ein
Modell des Zwingers
aus Müll an. Zudem tragen sie ein Gedicht vor, das
augenscheinlich aus eigener
Feder stammt und formal vielleicht eine Hommage an die Vorliebe
für Reime des
Prinzen darstellt. Bazuras Anwesenheit, die er selten zuteil werden
läßt, ist
ein Geschenk für sich.
Haus und Clan Tremere hat sich
etwas Besonderes einfallen lassen: eine Zusammenstellung verschiedener
Szenen
aus Goethes Faust wird von ihnen aufgeführt. Hervorragend
verkörpert Frau Weber
die Figur des Gottes, und manch einer kann sich ein Schmunzeln nicht
verkneifen, wenn aus dem Munde Herrn Schumanns ertönt:
‚So hab ich mich der
Magie ergeben...’
Im Anschluß wird das Grinsen eher
noch breiter, denn Clan Brujah präsentiert einen Song mit
musikalischer
Untermalung. Die prägnanteste Zeile (‚Prinz Franz
– der kann’s’) bleibt dem einen
oder anderen sicherlich noch einige Zeit im Ohr.
Die Gangrel haben zweierlei
vorbereitet. Vaiküre hat einen Druck mitgebracht, den sie dem
Prinzen zum
Geschenk macht, und Herr von Thronstein hat gemeinsam mit Frau Sesemann
eine
kleine Schwertkampfvorstellung einstudiert, die wohl einmal mehr
deutlich
macht, daß man sich möglicherweise mit diesem Clan
nicht allzu leichtfertig
anlegen sollte.
Herr Robrugk schließlich
präsentiert ein Gedicht der französischen Moderne. An
ihn schließen sich die
Geschenke der Gäste an: ebenfalls ein Gedicht
überreicht Frau Wohlheim, die
Freiberger Kainiten bringen Utensilien für eine japanische
Teezeremonie,
formschön in einer hölzernen Kiste
überreicht – vielleicht wird der nächste
Caitiff aus diesen Tassen getrunken werden? Den Abschluß
bildet Herr
MacConnerher, dessen Geschenk verpackt ist. Der Prinz soll es
später allein
ansehen.
Herr von der Wettern spricht
allen, die Vorbereitungen zu seinem Thronjubiläum getroffen
haben, seinen Dank
aus. Zusammen mit der etwas überraschten Gildehausleiterin
tanzt er einen
Walzer – vielleicht gedanklich für einen Moment
zurückversetzt in die Zeit der
alten Bälle, als die Brujah noch nicht über
elektrische Gitarren verfügten...
Nach
diesen anregenden
Darbietungen, die insgesamt ein buntes Bild der erstaunlichen
Kreativität der
Kainiten geboten haben, tut es gut, die Gedanken etwas schweifen zu
lassen und
die Eindrücke wirken zu lassen.
In wechselnder
Zusammensetzung
finden sich kleine Gruppen zusammen, die die Aufführungen
erneut besprechen
oder dem Smalltalk frönen.
Doch manch einer verfolgt an
diesem Abend auch ernsthaftere Ziele.
So besteht noch immer die Frage
nach einer künftigen Harpyie. Der Prinz hat es in seiner Rede
angekündigt: Frau
Tumanowas Ansicht wird zu diesem Thema gehört werden. So sieht
man sie auch in
wechselndem Gespräch mit vielen Mitgliedern der
Domäne, deren ebenso
mannigfaltigen Ansichten sie große Aufmerksamkeit schenkt.
Welches Urteil wird
sie am Ende des Abends fällen, welche Wahl dem Prinzen
vorschlagen?
Auch Herrn Robrugk und Herrn
Cortez sieht man mit sehr ernsthafter Miene durch die Räume
gehen. Immer wieder
bitten sie Einzelne zu Gesprächen, immer wieder ziehen sie
sich zurück, mal
allein, manchmal zusammen mit Herrn Cless.
Vielleicht haben nicht einmal alle
etwas von diesen verborgenen Aktivitäten mitbekommen, doch die
letzten
Geschehnisse des Abends können von keinem der noch Anwesenden
mehr ignoriert
werden.
Es ist spät und die ersten Gäste,
so die Freiberger Delegation, Herr MacConnerher und einige Dresdner
Kainiten,
haben die Schieferburg bereits verlassen. Dem Anschein nach
löst sich die Feier
langsam in Wohlgefallen auf; - da schreckt lautes Schreien aus dem
oberen
Stockwerk auch den phlegmatischsten der Vampire noch einmal auf.
Was ist dort oben los? Es fällt
auf, daß Herr Robrugk, Herr Cortez, Herr Cless und Frau
Segers schon seit
geraumer Zeit nicht mehr anwesend sind. Sabeth und Deliah sind es, die
zu sehen
bekommen, was sich hinter der Tür abspielt: ein Sofa, darauf
Frau Segers –
umringt von den vermißten Herren – ein Pfeiler, aus
dem ein Stück mit roher
Gewalt herausgebrochen wurde – der Anblick dieses Pfahles in
der Brust der
Hüterin.
Frau Segers gepfählt? Sabeth
schreit nach ihrer Vorgesetzten, und auch Deliah macht die
übrigen Gäste
aufmerksam. Wenige Minuten später erscheinen Herr Weber und
Herr Chrustschnick,
die sich für ihre Clansschwester zuständig
fühlen, in der oberen Etage.
Lautstark fordert Herr Weber Erklärungen und rastet
schließlich, nicht
zufriedengestellt, aus. An der Tür drängen sich alle
noch anwesenden Kainiten
und versuchen herauszufinden, was überhaupt passiert ist. Herr
Chrustschnick
ist es, der Herrn Weber mühsam zurückhalten kann, und
ihm sagt man, was Frau
Segers vorgeworfen wird und was sie im Verhör mit Seneschall,
Stadvogt und
Herrn Robrugk gestanden hat: sie soll mit Fabiola leCoeur, der
Werwölfin,
paktiert und dieser sensible Informationen über die
kainitische Gesellschaft
übermittelt haben.
Nicht nur Herr von Thronstein
artikuliert seine Konsternation: ‚Was hat sie
gemacht?!’
Ein unerwartetes Ende für diese
eigentlich sehr gelungene Feier, von der sich wohl nicht nur Helena
Segers
einen anderen Ausgang versprochen hatte...