Achtung: So, wie die Geschichte der
Stadt hier
präsentiert wird, ist sie keinem kainitischen Bewohner der
Domäne in ihrer
Gesamtheit bekannt, außer vielleicht Tiberius dem Chronisten.
Der Text dient
als Stimmungsmittel und als Einstimmung für das besondere
Flair der
Elbmetropole.
Viel Spaß beim Lesen!
Die Geschichte Dresdens aus kainitischer Sicht
Teil
I: Von den frühen
Siedlern zum Ausgang des Mittelalters
Die ersten Ursprünge der heutigen Stadt wie auch der Domäne Dresden liegen verborgen im Dunkel der Geschichte. So läßt die lange vermutete Theorie der slawischen Besiedlung des Stadtgebietes sich nach jüngeren Forschungsergebnissen weniger halten.
Geschichten alter Kainiten weisen
darauf hin, daß
sich schon früh, unter noch weitgehend natürlichen
Gegebenheiten, ein Wesen im
Elbtal ansiedelte, bei dem es sich mit großer Sicherheit um
einen der ersten
Kainiten handelte, die sich in der Region dauerhaft aufhielten.
Es gibt Sagen, die von einer
Gottheit aus den
Wäldern handeln, verknüpft mit Blutopfern und
nächtlichem Treiben, welche
mündlich von den Menschen des 6. bis 8. Jahrhunderts
überliefert und in vagen
Bruchstücken, mythisch verbrämt, weitaus
später auch schriftlich fixiert
wurden.
Kainitische Schriften sprechen von
einem Gangrel,
einer Gestalt, die bereits damals nur so wenig menschliche
Züge noch trug, daß
sie von den Siedlern schon nicht mehr als ihresgleichen wahrgenommen
wurde. In
diesem Zusammenhang ist der Name Delce aufgetaucht, doch nach der
Jahrtausendwende findet sich keinerlei Erwähnung mehr, und es
besteht die
Möglichkeit, daß er in den Wirren des Jahres 928, in
dem Heinrich I. das Land
eroberte, die Gegend verließ oder auf andere Art und Weise
verschwand.
Es vergeht einige Zeit bis zu den
nächsten
Zeugnissen kainitischer Einflußnahme in dem sich langsam
verstädternden
Landstrich. Verschiedene Namen sind bezeugt, doch es ist schwer, wenn
nicht
unmöglich auszumachen, welcher von ihnen chronologisch zuerst
auftauchte und
welche erst in späterer Zeit.
Weit konkreter als noch zu Zeiten
der halbmythologischen
Delce-Figur lassen sich Orte bestimmen, an denen die noch an einer Hand
abzählbaren Kainiten gewirkt haben.
Im Jahr 929 wurde die Burg
Meißen errichtet. Etwa
einhundert bis einhunderfünfzig Jahre später kann der
aufmerksame Sichter der
noch erhaltenen frühmittelalterlichen Handschriften erste
Anzeichen dafür
finden, daß ein Kainit sich hier aufhielt.
Möglicherweise kam er um die
Jahrtausendwende im Gefolge eines Bischofs, der in Meißen
seinen Sitz
innehatte, aber genau wissen wir es nicht. Wovon wir wissen, sind
allein der
Name Ludovigo und die Erwähnung einer Kammer, die stets in
nahezu körperlich
anmutende Schatten gehüllt war und die ohne Erlaubnis des
Bewohners niemals
betreten werden durfte.
Auf einen weiteren Kainiten deuten
Aufzeichnungen
aus Dohna hin. Um 1040 wurde dort, an einer damals bedeutenden
Handelsstraße
gen Böhmen, eine Burg errichtet, und wohl im Laufe dieses 11.
Jahrhunderts
erkor auch ein vampirischer, zunächst unauffälliger
Bewohner diesen Ort zu
seiner Zuflucht. Sein Name war Gorius, und prägnant schien in
erster Linie
seine Gestalt gewesen zu sein, denn unheimliche Geschichten eines
hageren
Mannes mit leichenblasser Gesichtshaut, der, gehüllt in
dunkle, weite Gewänder,
von Zeit zu Zeit durch die Gänge der Burg huschte, hielten
sich unter der
menschlichen Population lange.
Eine dritte Gestalt ist besonders
mysteriös, denn
von ihr wissen wir weder, wie sie genau aussah, noch den ganz genauen
Aufenthaltsort. Irgendwo im Stadtgebiet des heutigen Dresdens hat sich
dieser
Kainit jedenfalls aufgehalten, und er kam, wenn überhaupt, nur
wenig später als
diejenigen, die unter den Namen Ludovigo und Gorius bekannt wurden. Das
Geheimnis um ihn erstreckt sich bis auf den Namen, denn auch dieser ist
uns
nicht bekannt. Nur einen Beinamen erfahren wir, wenn wir uns auf eine
lange,
verwirrende Suche begeben: der Nebelfürst. War er dem Clan des
Tieres
zugehörig? Die Vermutung drängt sich auf, denn als
Nebel aufzutauchen ist,
soweit wir wissen, vor allem diesen möglich. Andere Fragmente
sprechen dagegen,
vor allem diejenigen, die von seinem Verschwinden zeugen –
doch dies liegt im
11. Jahrhundert noch in der Zukunft.
1144 gab es zwischen dem Bischof
von Meißen und dem
Markgrafen einen Streit um einige Dörfer im Elbtal, der
schließlich durch den
König geschlichtet wurde; zur selben Zeit errichtete der
Markgraf auch auf dem
Dresdner Taschenberg einen festen Standpunkt. In diesen Jahren machten
die
herrschenden Kainiten der Umgebung wohl auch zunehmend ihren
Einfluß geltend,
jedenfalls häufen sich die auf sie hindeutenden Spuren. Einige
Jahre später, im
13. Jahrhundert, wird desweiteren ein Grenzstreit zwischen
Meißen und Dohna mit
dem Sieg Meißens stattfinden, von dem man annehmen kann,
daß seine Folgen die
Position des Gorius geschwächt haben mag.
Mitte des 12. Jahrhunderts steht
nahe des
Taschenbergs bereits seit einer Weile die Pfarrkirche St. Maria, welche
später
die Frauenkirche genannt werden wird. Sie befindet sich noch
außerhalb der
Stadtmauern und ist dem Bischof von Meißen unterstellt.
Die erste urkundliche
Erwähnung Dresdens als
Dresdene fällt auf den 31.03.1206, wenn auch die Siedlung sich
sicherlich
bereits im Verlauf des 12. Jahrhunderts entwickelte; so wird die
Hafensiedlung
Nisani erstmalig 1147 erwähnt.
Von diesen Entwicklungen berichtet
uns ein neu
auftauchender Kainit, der dem Clan der Verborgenen entspringt
– insofern wagt
der Verfasser keine verläßlichen Aussagen zu der
Frage, seit wann genau dieser
sich in Dresden aufhält. Von 1200 an fungiert er jedenfalls
als eine Art Chronist.
Jedes der noch erhaltenen Schriftstücke trägt die
Unterschrift ‚Tiberius, der
Chronist’.
Die Siedlung gedeiht und zieht mehr
und mehr
Menschen an. Mit dem Zustrom dieser Sterblichen gelangen in ihrem
Schatten auch
die sich von ihnen Nährenden in die Gegend, und schon am
Anfang des 13.
Jahrhunderts hören wir von einem Gangrel, der nach der
Beschreibung keinesfalls
derselbe sein kann wie der des 7. oder 8. Jahrhunderts. Einen Namen
erfahren
wir jedoch nicht, und es ist auch nicht bekannt, was aus ihm geworden
ist.
Für die späteren
Jahrhunderte tauchen sporadisch
immer wieder kurze Berichte über Gangrel im Bereich der Heide
und anfangs auch
des Friedewaldes auf, doch es ist müßig, anhand
dieser kurzen Einblicke
beurteilen zu wollen, wie viele vom Clan des Tieres sich wann genau in
der
Umgebung Dresdens aufhalten.
Aus dem Jahre 1284 datiert eine
Bestätigungsurkunde,
nach der Dresden das Recht besitzt, Willküren mit
Gesetzeskraft zu erlassen,
1292 wird das Stadtrecht verliehen. Auch eine erste steinerne
Brücke besitzt
die aufstrebende Siedlung bereits.
Es ranken sich verschiedene
Geschichten um die um
1300 errichtete sogenannte Nikolaikirche, welche später, seit
dem Ende des 14.
Jahrhunderts, als Kreuzkirche bekannt werden wird. Von Konstanze von
Babenberg,
der ersten Frau Heinrichs des Erlauchten, wird als Mitgift ein Splitter
des
Heiligen Kreuzes mitgebracht, den man in der Kirche unterbringt.
Seitdem
verbreiten sich überall in Dresden unter den Kainiten
Gerüchte, daß es besser
sei, um die Kirche einen Bogen zu machen. Es sei schwer, sie zu
betreten, auch
für willensstarke Vampire.
So bekam kaum jemand unter den
Kainiten der Stadt
ein anderes Exponat dieser Kirche zu sehen, den sogenannten Schwarzen
Hergott.
Hierbei handelt es sich um ein gerüchteweise mit Menschenhaut
überzogenes
Kruzifix, von all den um es herum angezündeten Lichtern
schwarz geworden, über
dessen Ursprung manch einer gern mehr gewußt hätte.
Entwicklungen, die im 14.
Jahrhundert beginnen,
bahnen den Weg für die einschneidenden Veränderungen,
die in den
darauffolgenden Jahrzehnten eintreten werden. Zunächst zeigen
ab der Mitte des
Jahrhunderts die Schrecken der Pest, daß nicht jeder Feind
sich von Mauern
aufhalten läßt, und viele lassen ihr Leben, auch die
gewachsenen Reihen der
Kainiten dünnen sich aus. Viele der alten Avantgarde tauchen
nach den
Pestjahren nicht mehr auf, und es kann angenommen werden, daß
sie vernichtet
sind. Zu den so Verschwundenen zählen Ludovigo von
Meißen, bei dessen Ableben
möglicherweise die aufkommende Inquisition ihre Finger im
Spiel hatte, und der
Nebelfürst in Dresden.
Es scheint, als habe letzterer sich
sogar
willentlich in den endgültigen Tod begeben, doch die Zeugnisse
widersprechen
einander; niemand scheint Konkretes gewußt zu haben. Dem
Verfasser gelang es
jedoch, aus zeitgenössischen Zeilen und aus späteren
Äußerungen, die Visionen
von Mitgliedern des Clans des Mondes zugeschrieben werden, einige Ideen
zu
erhalten, die vielleicht der Wahrheit nahe kommen, vielleicht auch
nicht.
Dennoch sind sie alles, was wir haben, denn kein in Dresden lebender
Vampir
kann sich noch rühmen, alles darüber zu wissen.
Es heißt, daß der Nebelfürst tatsächlich in Nebelform erscheinen kann, wenn es ihm beliebt. Es ist eine Kraft, die damals außer ihm hierzulande kaum einer beherrscht, weshalb mehrere Quellen es übereinstimmend betonen. Es scheint auch sicher, daß die Verheerungen durch die Pest ihn tief treffen. Er hat sich immer als Teil der Stadt gesehen und nun fühlt er, als ob ein Teil von ihm zugrunde geht. Das ist etwas, daß er nicht erträgt. Als der Nebelfürst zusammenbricht, strömt eine Woge von Wahnsinn und Verzweiflung durch die Straßen, eine frühe Form der verrückten Bilder vom Totentanz, wie sie in der Renaissance kursieren. Fraglich ist, was dann geschieht. Vielleicht ist die fantastischste Erklärung die, welche den Geschehnissen am nächsten kommt: besagte Visionen der Malkavianer künden davon, daß sich in diesem bemerkenswerte Kainit die Idee formt, nur noch Nebel sein zu wollen. Nie wieder von solchen Geschehnissen getroffen werden zu können.
Ist es das, was er tat? Sich selbst in ewigen Nebel aufzulösen, der wie ein dämpfendes Tuch über dem Elbtal liegt, so wie eine der Quellen es behauptet? Wenn es so gewesen ist, kann man lange darüber spekulieren, welche Implikationen sich daraus für die späteren Generationen bis hin zur heutigen Zeit ableiten lassen. Der Verfasser wird den Spekulationen jedoch keine weitere Nahrung geben, denn er sieht sich soweit als möglich dem Bericht von Tatsachen verpflichtet.
Die Burg Dohna hat an Bedeutung verloren, doch kurz bevor wir die Spur Gorius’ verlieren, hören wir noch von einem Kind, das er in den Pestwirren zeugte, eine Frau, die Belladonna geheißen wurde und ihren Meister wohl um einiges überlebte.
Politisch wandelte sich die Lage langsam. Seit 1350 fühlten die Wettiner sich zunehmend von der Politik Karls IV. bedroht, bis dieser schließlich 1378 stirbt. Langsam schaffen die Wettiner sich mehr Einfluß und Macht.
Von 1381 an beginnen Unruhen in der Welt der Kainiten, die man die Anarchenaufstände nannte. Noch eskalieren sie nicht, doch schon jetzt beginnen die Nächte gefährlicher zu werden. Ein Jahr später kommt es zu einer Teilung der Besitzungen der Wettiner in Chemnitz – Karls Tod nahm eine große Last von ihren Schultern und endlich können sie diese Teilung durchführen, die schon seit langem vorgesehen war.
Das 15. Jahrhundert bringt
turbulente Zeiten für
Dresden, im realpolitischen wie auch im kainitischen Bereich. 1402
fällt nach
längerer Belagerung durch Wilhelm I. die Burg Dohna. Gorius
ist zu dieser Zeit
bereits fort, und auch Belladonna hat sich rechtzeitig eine andere,
sicherere
Zuflucht besorgt.
Nach 1428 suchen die
Raubzüge der Hussiten Sachsen
heim, und es ist deutlich, daß im Schatten dieser Unruhen
auch die gefürchtete
Eskalation der Anarchenaufstände stattfindet, aber schon zu
dieser Zeit, in der
die Camarilla offiziell noch gar nicht gegründet ist, ist der
Clan des Zepters
bemüht, die kainitische Beteiligung zu vertuschen. Im Oktober
1429 fallen die
Hussiten in Altendresden ein, die Stadt und das Augustinerkloster
brennen
nieder. Jahrzehntelange Kriegswirren zermürben Dresden, die
Bevölkerungszahl
stagniert.
Eine Phase neuerlicher
Stabilität beginnt erst mit
1485. In diesem Jahr findet die Leipziger Teilung der Wettiner
Besitzungen
statt, die Brüder Ernst, Wettiner Kurfürst, und
Albrecht, Markgraf von Meißen,
teilen Sachsen auf. Dresden wird zur Residenz der albertinischen Linie.
Ein Aufschwung deutet sich schon
dadurch an, daß
durch die Hofhaltung Handwerk und Handel gefördert werden.
1491 wird bei einem
großen Stadtbrand die Hälfte der
Stadt vernichtet, wieder unter dem Einfluß der Anarchen;
unzählige Häuser,
Menschen und wohl auch der eine oder andere Kainit fallen dem zum Opfer
– doch
die Camarilla macht sich bereit zum Gegenschlag. Zwei Jahre nach dem
Brand wird
in Thorns der Dornenvertrag geschlossen, und bereits ein Jahr
später kommt in
Dresden der erste wirkliche Prinz auf den Thron: der Ventrue Heinrich
von
Miltitz, der sich inzwischen auf derartig viele Gräueltaten,
verrichtet durch
Gegner der Camarilla, zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen
berufen kann,
daß er schnell an Boden gewinnt und der Camarilla in der
Domäne Dresden von
Beginn an einen sicheren Stand verschafft.